Nach dem Hype um ChatGPT sind die Investoren nun auf der Suche nach der nächsten grossen Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz. Wir glauben, dass es sich dabei um Edge-KI handeln könnte, also die Technologie, mit der Algorithmen direkt auf dem Smartphone oder Computer ausgeführt werden können, ohne dass eine Internetverbindung erforderlich ist.
In KI fliessen bereits Milliarden von US-Dollar an Investitionen und die Bandbreite der kommerziellen Anwendungen wird immer grösser. Edge-KI-Geräte haben das Potenzial, sich zu unentbehrlichen intelligenten Assistenten zu entwickeln, die in der Lage sind, E-Mails zu schreiben, Hotelreservierungen vorzunehmen, Telefonate zusammenzufassen, Mahlzeiten zu planen und vieles mehr.
Da Edge-KI-Geräte keine Internetverbindung brauchen, können die Nutzer die KI-Funktionen optimal nutzen, ohne sich um den Schutz ihrer personenbezogenen Daten Gedanken machen zu müssen, und Aufgaben schneller erledigen. Das verbessert die Cybersicherheit und verringert die Latenzzeit.
Weniger offensichtlich, aber nicht weniger interessant ist, dass viele der attraktivsten Investmentchancen, die sich aus Edge-KI ergeben, in den asiatischen Schwellenländern zu finden sind. Diese Technologie stand auf der jüngsten Fachmesse Computex in Taiwan und der Worldwide Developer Conference (WWDC) von Apple ganz oben auf der Agenda.
Wir haben drei grosse Anlagechancen im Bereich Edge-KI identifiziert: Gerätehersteller, Komponentenhersteller und Hersteller hochmoderner „Computergehirne“, den sogenannten CPUs (Central Processing Units).
Die Technologiebranche in den asiatischen Schwellenländern ist gut aufgestellt, um aus allen drei Faktoren Kapital zu schlagen. Das eröffnet interessante Möglichkeiten für Investoren in Schwellenländeraktien.
Smartphone- und PC-Hersteller werden ganz klar davon profitieren, dass die Konsumenten ihre vorhandenen Geräte nach und nach gegen leistungsfähigere KI-fähige Versionen tauschen. Zu diesen Profiteuren gehören etliche etablierte asiatische Unternehmen. Die Verbreitung von KI-Smartphones wird sich voraussichtlich von 16% im Jahr 2024 auf 54% bis 2028 mehr als verdreifachen. Bei KI-PCs wird der Sprung sogar noch spektakulärer ausfallen, nämlich von 2% auf 85% (siehe Abb. 1).
Das wiederum erfordert eine erhebliche Aufrüstung der Hardware – ein Trend, den sich die Hersteller von Smartphone- und Computerkomponenten zunutze machen können. Derzeit erfüllen nur 12% der Geräte des US-Technologieriesen Apple die Hardware-Anforderungen seiner KI-Funktion „Apple Intelligence“. Dies deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Apple-Nutzer auf leistungsfähigere Apple-Geräte aufrüsten muss, um in den Genuss der neuen KI-Funktionen zu kommen.
Der erste entscheidende Bereich für Upgrades ist die Integration von NPUs (Neural Processing Units), die Vorgänge des maschinellen Lernens beschleunigen sollen. Bei Unternehmen wie MediaTek sind die Preise für KI-fähige Prozessoren bereits um über 20% gestiegen. Davon profitieren auch direkt Unternehmen wie TSMC, in deren Fabriken die Prozessoren hergestellt werden.
Mehr Daten brauchen mehr Speicher. Die Mindestsystemanforderung des neuen Microsoft Co-Pilot+ für KI-PCs beträgt 16 GB DRAM – in den letzten Jahren waren 10 GB DRAM üblich. Daraus ergeben sich Wachstumschancen für Speicherhersteller wie Samsung Electronics und SK Hynix.
Ein weiterer grosser Investitionstrend, der auf der Computex zu beobachten war, ist die wachsende Nachfrage nach Windows-Notebooks mit CPUs, die die ARM-Prozessorarchitektur nutzen. Diese Architektur ist dafür bekannt, dass sie stromsparend ist, weshalb sie für Smartphones und Server gerne genutzt wird. Angesichts der Anforderungen der KI an die Rechenleistung werden ARM-basierte Prozessoren nun auch für PCs eingesetzt. Notebooks mit dieser neuen Generation von CPUs dürften im Vergleich zu den x86-basierten Notebooks von Intel/AMD eine um 30–50% längere Akkulaufzeit haben. Morgan Stanley schätzt, dass im Jahr 2028 einer von fünf verkauften Windows-PCs mit ARM-CPUs ausgestattet sein wird, aktuell liegt der Anteil bei Null (siehe Abb. 2).
Diese Chance haben auch asiatische Unternehmen erkannt. MediaTek dürfte noch in diesem Jahr in Partnerschaft mit Nvidia eine leistungsstarke ARM-basierte CPU für KI-PCs auf den Markt bringen.
Prognostiziertes Liefervolumen für KI-PCs und Windows on ARM (WoA)-PCs (in Mio. Stück)
Quelle: Schätzungen von Gartner, IDC und Morgan Stanley Research
Überall auf der Welt ist Edge-KI auf dem Vormarsch. Unternehmen in den asiatischen Schwellenländern sind besonders gut aufgestellt und haben sich an die Spitze der Revolution gesetzt – von den Geräten selbst bis hin zu den Prozessoren und dem Speicher. Ausserdem sichern sie sich immer mehr Marktanteile in wichtigen Segmenten und sind attraktiver bewertet als viele ihrer Mitbewerber in den Industrieländern. Der Marktanteil von TSMC an der weltweiten Chipfertigung zum Beispiel liegt aktuell bei 60% – das Unternehmen besitzt praktisch das Monopol bei High-End-Chips für KI-Geräte. Was die Bewertungen anbelangt, werden TSMC und MediaTek mit einem zukunftsgerichteten KGV von 20 gehandelt, beim US-Halbleiterindex liegt es bei 30 und bei Nvidia bei 45.
Wir halten dies für eine interessante Chance, die sich Investoren in Schwellenländeraktien nicht entgehen lassen sollten.