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KI und quantitatives Investieren: Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Aktive Aktien
Generative KI und ChatGPT haben uns in ihren Bann gezogen. Auch Vermögensverwalter beobachten die Entwicklungen sehr genau.

Maschinelles Lernen (ML) wird gerade als DIE Methode für die Aktienauswahl gepriesen. In der Praxis machen sich die Vorteile von ML und künstlicher Intelligenz (KI) beim Portfolioaufbau jedoch auf ganz unterschiedliche Weise bemerkbar. Für uns ist KI lediglich die letzte Phase in der langen Entwicklung des quantitativen Investierens. Sozusagen Quant 2.0.

In den 1980er Jahren haben quantitative Portfoliomanager erstmals begonnen, Algorithmen für die Auswahl von Investments und das Risikomanagement einzusetzen. Diese einfachen Einzelfaktor-Modelle, die zur Bestimmung von Risikoprämien verwendet wurden, entwickelten sich schon bald zu komplexeren Multifaktor-Systemen, die ganz unterschiedliche Phänomene wie Veränderungen in der Analystenstimmung, der Anlegerpositionierung und der Stabilität der Unternehmensgewinne analysierten. Heute arbeiten quantitative Investoren mit einer Vielzahl von Systemen, die auf maschinellem Lernen basieren. Diese leistungsstarke neue Technologie muss breitere Anwendung finden, das steht ausser Frage.

Portfolioaufbau mit KI

Die Digitalisierung der Weltwirtschaft hat zu einer explosionsartigen Zunahme an Daten geführt, sowohl bei strukturierten Daten wie den von den Unternehmen veröffentlichten Geschäftsergebnissen als auch bei unstrukturierten Daten wie Texten, Videodateien und Bildern. Die Analyse und Kombination dieser Daten mit immer grösseren Modellen erweist sich für quantitative Portfoliomanager als enorme Herausforderung – aber auch als Chance.

KI hilft an mehreren Fronten:

  1. Künstliche Intelligenz kann eingesetzt werden, um Signale und Muster aus unterschiedlichsten Datenquellen zu extrahieren
    KI, die auf der Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) basiert, kann beispielsweise verwendet werden, um die Stimmung gegenüber Unternehmen in Nachrichtenartikeln, Berichten der Sell-Side-Analysten oder Mitschriften von Earnings Calls zu analysieren. Dies ist besonders hilfreich für quantitative Portfoliomanager, die im Gegensatz zu Unternehmensanalysten häufig nicht persönlich mit den Geschäftsleitungen sprechen und daher Gefahr laufen, „weichere“ Signale zu übersehen, die sich auf die Aktienentwicklung auswirken können. Nach unserer Meinung lassen sich mithilfe von NLP-Techniken, die zur Analyse der Niederschriften von Earnings Calls eingesetzt werden, relevante Informationen identifizieren, die in den offiziellen Veröffentlichungen der Ergebnisse nicht zu finden sind.
  2. Künstliche Intelligenz ermöglicht genauere Investmentprognosen
    Wir sind überzeugt, dass Fortschritte in der KI genauere Prognosen für einzelne Aktien ermöglichen als das traditionelle Factor Investing. Traditionelles Factor Investing zielt darauf ab, Risikoprämien auszunutzen – Anlagesignale, die sich auf die Wirtschaftstheorie stützen und durch empirische Forschung untermauert sind. Mithilfe von Quant 2.0, das auf fortschrittlicher KI basiert, können Portfoliomanager Anomalien erkennen, die über diese Prämien hinausgehen. Diese Anomalien treten häufig über kürzere Zeiträume von sagen wir weniger als einem Monat auf – ein Zeitraum, in dem die Anlegerpositionierung und die Marktaktivitäten einen stärkeren Einfluss auf die Aktienrenditen haben als makroökonomische Kräfte oder die Fundamentaldaten der Unternehmen. Werden unterschiedliche Datenquellen angezapft, lassen sich oft Hinweise auf Veränderungen im Verhalten erkennen. Die KI kann Hunderte von Merkmalen kombinieren, sodass quantitative Investoren die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Daten für genauere Prognosen nutzen können.
  3. KI-basierte Anwendungen helfen nicht nur bei der Titelauswahl 
    Das neue maschinelle Lernen kann für weit mehr als nur die Titelauswahl angewendet werden. Vielmehr können unterschiedliche Zeithorizonte berücksichtigt werden – mit dem Ziel, das Portfoliorisiko zu steuern, die Ausführungskosten zu senken und die Portfoliopositionierung zu optimieren. Dies führt unser quantitative Investmentmanager Thibault Jaisson in dem in Quantitative Finance veröffentlichten Forschungsbeitrag Deep differentiable reinforcement learning and optimal trading näher aus.
Abb. 1. Der Einsatz von ML/KI beim quantitativen Investieren ist Teil einer Entwicklung über einen langen Zeitraum:

Beim Einsatz von KI für Investments ist Transparenz das A und O

Viele aktuelle Forschungsbeiträge belegen, dass ML-Modelle bessere Renditeprognossen treffen.

In der Investmentpraxis ist der Einsatz von KI-basierten Modellen jedoch komplex und mit Risiken behaftet. Die Annahme, dass Investoren KI als Blackbox akzeptieren, ist hinfällig geworden. Vielmehr müssen Merkmale, Positionen, Risiken und Performance der zugrunde liegenden Inputs aufgeschlüsselt werden. Transparenz ist der Schlüssel, was unser quantitatives Team in dem Beitrag Performance attribution of machine learning methods for stock returns prediction, der im Journal of Finance and Data Science veröffentlicht wurde, eingehend untersucht hat.

Was hat unsere eigene Analyse der Renditeaufschlüsselung ergeben?

Erstens, dass ein Teil der Überrendite aus KI-gesteuerten Modellen aus Strategien wie „Umkehr“ stammt, das heisst aus Aktien, bei denen aufgrund eines bestimmten Renditemusters eine Richtungsänderung wahrscheinlich ist. Oder „kurzfristiges Momentum“, das heisst Aktien, die weiter ihrem derzeitigen Kurs folgen. Dabei handelt es sich um Strategien, die von auf statistische Arbitrage fokussierten Managern in traditionellen Modellen eingesetzt werden.

Ein anderer Teil der Überrendite ergibt sich aus einer viel grösseren Anzahl von Merkmalen als sie in traditionellen quantitativen Modellen effektiv genutzt werden können. Traditionelle Modelle analysieren in der Regel mehrere Dutzend solcher Merkmale. KI-gestützte Systeme dagegen können mehrere hundert verarbeiten und sind ausserdem in der Lage, den Merkmalen, die sich am meisten positiv auf die Rendite auswirken, ein höheres Gewicht zuzuweisen.

Der letzte Teil der Überrendite ergibt sich aus den Wechselwirkungen zwischen den in die Analyse einbezogenen Merkmalen. So verhalten sich beispielsweise Aktien, denen gegenüber die Analystenstimmung positiv ist und bei denen das Short-Interesse gering ist – also nur sehr wenige Hedgefonds eine Shortposition halten –, anders als Aktien, bei denen das Gegenteil der Fall ist. 

Menschliches Urteilsvermögen ist auch beim Einsatz künstlicher Intelligenz nach wie vor unerlässlich

Die Entwicklung eines ML-Modells, das zuverlässig, schnell und genau ist und laufend überwacht und angepasst werden kann, ist kompliziert und zeitaufwändig. Für ML-Modelle werden riesige Mengen an Daten benötigt,

was es für den einzelnen Portfoliomanager und Analysten schwierig macht, diese zu überwachen. Man braucht eine robuste Plattform für den Einsatz von KI beim Investieren

KI-Modelle:

  • Portfoliomanager müssen immer wieder Anpassungen vornehmen, und da selbst kleine Änderungen grosse Auswirkungen auf das Ergebnis haben können, müssen diese Änderungen ständig fortlaufend bewertet werden.
  • Stützen sich auf reale Daten für Prognosen, deshalb muss das Modell angepasst werden, wenn sich die realen Daten ändern. Das bedeutet, dass wir als Portfoliomanager Änderungen von Daten im Auge behalten und sicherstellen müssen, dass das Modell entsprechend angelernt wird.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, ist eine robuste KI-gestützte Operations Plattform unerlässlich. Diese sollte mit spezifischen Tools ausgestattet sein, die die Reproduzierbarkeit, Versionskontrolle, Skalierbarkeit und Compliance gewährleisten.

Der Einsatz von KI beim Portfolioaufbau erfordert eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren, Datenwissenschaftlern und Portfoliomanagern, die auf die Entwicklung eines transparenten Entscheidungsprozesses abzielt, der Alpha generiert.